Berücksichtigung von Beiträgen an eine betriebliche Altersversorgung als Betriebsausgaben?

BFH v. 31.7.2018 – VIII R 6/15

Fest zugesagte prozentuale Renten- oder Anwartschaftserhöhungen sind zwar keine ungewissen Erhöhungen i.S.d. § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 EStG. Hieraus folgt jedoch nicht, dass jedwede Renten- oder Anwartschaftsdynamisierungen bei der Prüfung einer sog. Überversorgung unbeachtlich sind. Eine über 3 % liegende jährliche Steigerungsrate kann bei der Prüfung der Überversorgung beachtlich sein.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt eine Facharztpraxis und erzielte daraus in den Streitjahren 2003 bis 2006 Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Für die bis 2010 bei ihr beschäftigten Arbeitnehmerinnen hatte sie eine betriebliche Altersversorgung eingerichtet. Diese begründete einen Anspruch auf Zahlung einer Altersrente ab dem Ersten des Monats, der der Vollendung des 65. Lebensjahres folgt. Die Altersrente betrug jeweils 353,11 € und erhöhte sich um eine Anwartschaftsdynamik von 5 % pro künftiges Dienstjahr. Hierfür machte die Steuerpflichtige in den Streitjahren Beiträge sowie Verwaltungs- und weitere Nebenkosten als Betriebsausgaben geltend.

Das Finanzamt war der Ansicht, die jährlichen Beiträge i.H.v. jeweils 7.740 € (2003 und 2004) bzw. 7.341 € (2005 und 2006) zur betrieblichen Altersversorgung der beiden Arbeitnehmerinnen seien mangels Schriftform bereits dem Grunde nach nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig. Das FG gab der Klage teilweise statt. Es war der Auffassung, die Beiträge der Steuerpflichtigen zur Altersversorgung ihrer ehemaligen Arbeitnehmerinnen seien zumindest teilweise als Betriebsausgaben anzuerkennen. Eine Berücksichtigung scheide nicht bereits wegen eines Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis dem Grunde nach aus.

Auf die Revision des Finanzamtes hat der BFH das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Gründe:
Das FG hat die Betriebsausgaben für Zuwendungen zwar zutreffend unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zur sog. Überversorgung gekürzt. Jedoch hat es dabei in unzutreffender Weise die vereinbarte Anwartschaftsdynamisierung i.H.v.v 5 % außer Acht gelassen.

So dürfen gem. § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Doppelbuchst. bb EStG auch Zuwendungen des Trägerunternehmens an eine Unterstützungskasse, die – wie hier – lebenslänglich laufende Leistungen gewährt, nur begrenzt abgezogen werden. Dabei ist der als Betriebsausgaben abziehbare Betrag der Zuwendungen an die Unterstützungskasse auf der Grundlage der anzusetzenden Versorgungsleistungen nach den Verhältnissen am jeweiligen Bilanzstichtag zu ermitteln.

Mit dem danach im Wortlaut des § 4d EStG ausdrücklich verankerten Stichtagsprinzip unterscheidet sich die Rechtslage nicht von derjenigen im Fall einer unmittelbaren Versorgungszusage, für die nach Maßgabe des § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Sätze 2 und 4 EStG eine Rückstellung gebildet werden darf. Dementsprechend dürfen mit Blick auf das auch im Rahmen des 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Doppelbuchst. bb EStG geltende Stichtagsprinzip mögliche oder wahrscheinliche Änderungen der Bemessungsgrundlage der Anwartschaft steuerlich nicht berücksichtigt werden. Die zu § 6a EStG entwickelten Maßstäbe einschließlich der sog. Überversorgungsgrundsätze gelten entsprechend.

Entsprechend dieser Grundsätze gilt für die im Zusammenhang mit der Ermittlung der als Betriebsausgaben abziehbaren Zuwendungen gemäß § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Doppel¬buchst. bb EStG:

Liegt die zugesagte Versorgung bereits ohne Berücksichtigung der Dynamisierung deutlich über 75 % des letzten Aktivgehalts am Bilanzstichtag, kann ein zusätzlicher Ausgleich künftig ansteigender säkularer Einkommenstrends um einen festen Prozentsatz nur in einem moderaten Umfang anerkannt werden. Er darf die Überversorgung rechnerisch nur unwesentlich beeinflussen und deshalb in Grenzbereichen jedenfalls nicht mehr als 3 % jährlich betragen. Dementsprechend nehmen Renten- bzw. Anwartschaftsdynamisierungen im Rahmen angemessener jährlicher Steigerungen von regelmäßig max. 3 % keinen Einfluss auf das Vorliegen einer Überversorgung

Demgegenüber kann eine über 3 % liegende jährliche Steigerungsrate bei der Prüfung einer Überversorgung zu berücksichtigen sein. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn die zugesagte Versorgung bereits ohne Berücksichtigung der Dynamisierung deutlich über 75 % des letzten Aktivgehaltes am Bilanzstichtag liegt, sondern auch dann, wenn die zugesagte Versorgung ohne Berücksichtigung der Dynamisierung lediglich im Grenzbereich von 75 % liegt. Auch hier kann ein zusätzlicher Ausgleich künftig ansteigender säkularer Einkommenstrends um einen festen Prozentsatz nicht unbeschränkt anerkannt werden, da andernfalls die Überversorgungsgrenze mittels fest vereinbarter prozentualer Erhöhungen von Renten bzw. Rentenanwartschaften unbegrenzt nach oben verschoben werden könnte. Zudem widerspräche die unbeschränkte Anerkennung vereinbarter Dynamisierungen in diesen Fällen dem Zweck der Begrenzung des Betriebsausgabenabzuges in § 4d EStG, der Gewinnverlagerungen und Gewinnabsaugungen seitens des Trägerunternehmens vorbeugen soll.

Daher ist jedenfalls dann, wenn sich die zugesagte Versorgung ohne Berücksichtigung der Dynamisierung im Grenzbereich von 75 % bewegt, die Dynamisierung deutlich über 3 % liegt, sie das Versorgungsniveau rechnerisch nicht nur unwesentlich beeinflusst und sich unter Einbeziehung der Dynamisierung insgesamt ein Versorgungsniveau von deutlich über 75 % ergibt, typisierend davon auszugehen, dass auch der Dynamisierungsbetrag einen Ausgleich für künftig steigende Einkommenstrends darstellt und dieser insgesamt in die Ermittlung der Überversorgung einzubeziehen ist.

Im vorliegenden Fall ergab sich bereits ohne Berücksichtigung der Anwartschaftsdynamisierung für die Arbeitnehmerinnen eine Überversorgung. Der entsprechenden Berücksichtigung der Dynamisierung bei der Prüfung der Überversorgung steht auch nicht entgegen, dass die Versorgungszusage im Streitfall auf einem standardisierten Konzept beruhte, das – unabhängig von Alter, Gehalt und Betriebszugehörigkeit eines Arbeitnehmers – eine Grundrente von 353,11 € und eine jährliche Anwartschaftsdynamisierung von 5 % vorsah und diese Beträge nicht aufgrund einer (unterstellten) ungewissen Einkommenssteigerung, sondern als steuerlich zulässiger Maximalbetrag ermittelt worden waren. Dass die Höhe der Versorgungszusage einschließlich der Höhe der Anwartschaftsdynamisierung unter Berücksichtigung steuerlicher Höchstsätze erfolgt ist, schließt nicht aus, dass die Versorgungszusage die Vorwegnahme künftiger Entwicklungen umfasst.

Quelle: BFH online