BFH v. 23.10.2018 – VII R 21/18
Ein auf die Vorschriften des AnfG gestützter Duldungsbescheid, der den Anfechtungsgegner verpflichtet, die Vollstreckung gegen den Schuldner bestehender Steuerforderungen zu dulden, die aus rechtsbeständigen Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung resultieren, muss keine zusätzliche Bedingung i.S.d. § 14 AnfG enthalten.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte im März 2015 „unentgeltlich und schenkungsweise“ den Miteigentumsanteil ihres Ehemanns an einer beiden Eheleuten gehörenden Wohnung erworben. Da gegen den Ehemann der Klägerin offene Steuerforderungen bestanden (Einkommensteuer 2012 und 2013, Umsatzsteuer 2007, 2009, 2012), die im Wege der Vollstreckung nicht hatten beigetrieben werden können, erließ das Finanzamt im August 2016 einen gegen die Klägerin gerichteten, auf § 191 AO und § 3 Abs. 2 AnfG gestützten Duldungsbescheid. Mit diesem wurde die Klägerin unter Angabe der im Einzelnen gegen den Ehemann bestehenden Steuerforderungen verpflichtet, wegen der bezeichneten Forderungen die Zwangsvollstreckung in den erworbenen Gegenstand zu dulden oder zur Abwendung der Vollstreckung den Betrag zu entrichten. In dem Bescheid wurde darauf hingewiesen, dass die Steuerbescheide 2012 noch nicht bestandskräftig seien. Die Klägerin werde nur in Anspruch genommen, sobald und soweit die Einkommensteuer 2012 bestandskräftig festgesetzt sei.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Der Duldungsbescheid sei aufzuheben, weil es sich bei den im Bescheid angegebenen Steuerforderungen zum Teil um Forderungen aus unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerbescheiden handele, weshalb insoweit die Vollstreckung gem. § 14 AnfG von der Vorbehaltslosigkeit der Steuerfestsetzung hätte abhängig gemacht werden müssen. Aufn die Revision des Finanzamtes hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Gründe:
Das FG-Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht. Die Sache ist jedoch noch nicht spruchreif, weil die Frage ungeprüft geblieben war, ob hinsichtlich der Übertragung des Miteigentumsanteils auf die Klägerin die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 AnfG (in der seinerzeit geltenden Fassung) vorlagen.
Ebenso wie bei einem im Wege der Klage geltend gemachten Anfechtungsanspruch gemäß § 13 AnfG anzugeben ist, für welche vollstreckbare Forderung und für welchen Betrag der Anfechtungsanspruch erhoben wird, muss ein Duldungsbescheid die der Anfechtung zugrunde liegenden Forderungen im Einzelnen aufführen sowie den Betrag, bis zu welchem der Anfechtungsgegner die Vollstreckung in das Erlangte zu dulden hat. Diesen Anforderungen wurde der im Streitfall angefochtene Duldungsbescheid gerecht. Er war auch nicht deshalb rechtswidrig und aufzuheben, weil er trotz dort aufgeführter, zum Teil auf Steuerbescheiden unter dem Vorbehalt der Nachprüfung beruhender Steuerforderungen keinen Vorbehalt i.S.d. §14 AnfG enthielt.
Bei einem nur vorläufig vollstreckbaren Schuldtitel des Gläubigers oder einem unter Vorbehalt ergangenen Urteil ist nach dieser Vorschrift in dem Urteil, das den Anfechtungsanspruch für begründet erklärt, die Vollstreckung davon abhängig zu machen, dass die gegen den Schuldner ergangene Entscheidung rechtskräftig oder vorbehaltlos wird. Diese Vorschrift ist auf den Fall der Verfolgung des Anfechtungsanspruchs im Wege eines Duldungsbescheids der Finanzbehörde entsprechend anzuwenden; dabei stehen noch nicht rechtsbeständige Steuerbescheide einem vorläufig vollstreckbaren Schuldtitel gleich.
Deshalb ist im Fall eines auf einem noch nicht rechtsbeständigen Steuerbescheid beruhenden Steueranspruchs in analoger Anwendung des § 14 AnfG der Vorbehalt aufzunehmen, dass die Vollstreckung davon abhängt, dass der noch nicht rechtsbeständige Steuerbescheid rechtsbeständig wird. Es handelt sich dabei um eine Nebenbestimmung zum Verwaltungsakt in Gestalt einer Bedingung i.S.d. § 120 Abs. 2 Nr. 2 AO.
Auf den Fall eines Steueranspruchs, der auf einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) beruht, lässt sich dies jedoch nicht übertragen, da insoweit keine vergleichbare Lage hinsichtlich der im Tatbestand des § 14 AnfG aufgeführten zivilrechtlichen Schuldtitel besteht. Sowohl im Fall eines vorläufig vollstreckbaren Urteils (§§ 708 ff. ZPO) als auch im Fall eines Vorbehaltsurteils (§ 302, § 599 ZPO) ist der durch Erhebung der Klage verfolgte Anspruch des Gläubigers weiterhin streitbefangen und kann durch Einlegung bzw. Aufrechterhalten des entsprechenden Rechtsbehelfs ggf. noch zu Fall gebracht werden.
Eine dieser zivilprozessualen Lage vergleichbare Situation, welche die analoge Anwendung des § 14 AnfG rechtfertigt, besteht zwar im Fall eines auf einem noch nicht rechtsbeständigen Steuerbescheid beruhenden Steueranspruchs, nicht jedoch bei einem Steueranspruch, der auf einem rechtsbeständigen, wenn auch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerbescheid beruht. Dieser Anspruch ist, da der Steuerbescheid unanfechtbar ist, nicht mehr streitbefangen. Allein der Umstand, dass der gem. § 164 AO ergangene Steuerbescheid von Amts wegen oder auf Antrag des Steuerpflichtigen aufgehoben oder geändert werden kann, solange der Vorbehalt wirksam ist (§ 164 Abs. 2 AO), führt nicht zu einer Vergleichbarkeit eines solchen Steuerbescheids mit den in § 14 AnfG genannten Schuldtiteln.
Quelle: BFH online