Erlass der Branntweinsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen?

BFH v. 27.2.2019 – VII R 34/17

Keine Erstattung einer Branntweinsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen, die nach § 153 Abs. 3 BranntwMonG deshalb entstanden ist, weil der Inhaber einer allgemeinen Verwendungserlaubnis vergällten Branntwein an andere Erlaubnisinhaber abgegeben hat. Die allgemeine Verwendungserlaubnis nach § 44 BrStV umfasst nicht die Abgabe vergällten Branntweins an Dritte. Bei einer unerlaubten Abgabe liegt nicht lediglich ein Verstoß gegen Formvorschriften vor.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin verwendete auf ihrem Betriebsgelände mit 1 % Methylethylketon (MEK) vergällten Branntwein zu Untersuchungs- und Reinigungszwecken im Rahmen einer allgemeinen Verwendungserlaubnis nach § 44 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BrStV. Sie gab an die auf ihrem Betriebsgelände ansässigen Firmen A-GmbH und B-GmbH im Jahr 2012 insgesamt 5.104 l vergällten Branntwein mit 5.047,9 l Ethanol und im Jahr 2013 weiteren vergällten Branntwein mit insgesamt 7.447,5 l Ethanol ab. Diese Firmen verwendeten in ihren Laboren ebenfalls vergällten Branntwein zu Untersuchungs- und Reinigungszwecken im Rahmen ihrer allgemeinen Verwendungserlaubnis nach § 44 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BrStV.

Das Hauptzollamt setzte gegen die Klägerin Branntweinsteuer i.H.v. 65.774 € für 2012 und i.H.v. 97.040 € für 2013 fest, da die Klägerin keine Erlaubnis gehabt habe, an die A-GmbH und die B-GmbH vergällten Branntwein abzugeben. Daher sei die Branntweinsteuer nach § 153 Abs. 3 BranntwMonG entstanden. Die Klägerin zahlte die Branntweinsteuer. Hiergegen eingelegte Einsprüche und die nachfolgende Klage blieben erfolglos. Die Klägerin legte keine Nichtzulassungsbeschwerde ein.

Im Dezember 2014 beantragte die Klägerin die Erstattung der Branntweinsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen. Der Antrag wurde allerdings abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass sich die Entstehung der Branntweinsteuer durch Abgabe des vergällten Branntweins an die A-GmbH und die B-GmbH nicht als sachlich unbillig erweist und eine Erstattung daher nicht zwingend geboten ist.

Die Erstattung nach § 227 AO schied schon deshalb aus, weil diese Vorschrift atypische Einzelfälle erfassen soll, nicht aber Fälle der Steuerentstehung, die der gesetzliche Tatbestand typischerweise mit sich bringt. Im Streitfall handelte es sich nicht lediglich um einen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften. Denn es war der Klägerin im Rahmen der allgemeinen Verwendungserlaubnis nach § 44 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BrStV lediglich erlaubt, den vergällten Branntwein auf ihrem Betriebsgelände zu lagern und ihn zu den in § 152 Abs. 1 Nr. 4 BranntwMonG genannten Zwecken steuerfrei zu verwenden. Nicht von der Erlaubnis erfasst war hingegen die Abgabe vergällter Erzeugnisse an andere Verwender.

Im Gegensatz zum Energiesteuerrecht sieht das Branntweinsteuerrecht Verteilerverkehre und die damit verbundene Zulassung von Verteilern nicht vor; im Rahmen der Anpassung der branntweinsteuerrechtlichen Regelungen an das harmonisierte Verbrauchsteuerrecht wurden die in § 99a BranntwMonG vorgesehenen Verteilerlager mit Wirkung zum 1.1.1993 abgeschafft. Eine Abgabe von Branntwein und branntweinhaltigen Erzeugnissen zur steuerfreien Verwendung ist demnach nur durch Steuerlager möglich. Soweit sich die Klägerin auf eine vermeintliche Gesetzeslücke berufen hatte, weil die Erfassung der Abgabe an einen ebenfalls über eine Verwendungserlaubnis verfügenden Empfänger durch § 153 Abs. 3 BranntwMonG begünstigende Rahmenregelungen erfordere, bezog sich dieses Vorbringen nicht auf einen – sich lediglich in Einzelfällen zeigenden – ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestandes. Wenn eine solche Gesetzeslücke vorliegen sollte, ist es nicht Aufgabe des Billigkeitsverfahrens, einen Ausgleich zu schaffen.

Im Übrigen war der nationale Gesetzgeber nach Art. 27 Abs. 1 RL 92/83/EWG berechtigt, Maßnahmen zur Sicherstellung einer korrekten und einfachen Anwendung von Steuerbefreiungen sowie zur Vermeidung von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch zu treffen. Eine Pflicht zur Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) an den EuGH bestand nach Auffassung des BFH ebenfalls nicht.

Quelle: BFH online