Fortsetzungsfeststellungsklage nach erledigter Arrestanordnung

BFH v. 17.10.2018 – XI R 35/16

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Arrestanordnung sind auch im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage diejenigen Umstände maßgebend, die aus der Sicht der letzten mündlichen Verhandlung im Zeitpunkt des Erlasses der Arrestanordnung tatsächlich vorgelegen haben.

Der Sachverhalt:
Die klagende GmbH war in der Baubranche tätig. Ihr alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war in den Streitjahren 2007 bis 2009 Herr RM. Die Klägerin unterhielt zu der Zeit Geschäftsbeziehungen mit einem in Polen ansässigen Unternehmen (X), dessen Inhaber der Vater des RM, Herr EM, bis November 2009 war, das von diesem geführt wurde und das im Jahr 2010 seinen Geschäftsbetrieb einstellte. Im April 2013 wurde durch die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts gegen RM ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Hinterziehung von Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie von Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer zugunsten der Klägerin eingeleitet. Ferner wurde seitens des Hauptzollamtes gegen RM und EM ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Sozialversicherungsbetrugs im Zusammenhang mit der X geführt. Im Rahmen der Ermittlungen ergaben sich Anhaltspunkte dafür, dass bzgl. der Streitjahre nicht alle Betriebseinnahmen verbucht und tatsächlich nicht angefallene Betriebsausgaben geltend gemacht wurden.

Daraufhin ordnete das Finanzamt zur Sicherung seiner Ansprüche wegen Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag den dinglichen Arrest gem. § 324 AO in das Vermögen der Klägerin an. Unter Berücksichtigung aller bisher bekannten Umstände sei zu befürchten, dass nach dem Vollzug weiterer strafprozessualer Maßnahmen und bei der Höhe der zu erwartenden Steuernachforderungen Vorkehrungen zur Vermögensverschiebung jeglicher Art getroffen würden, so dass die spätere Beitreibung der Geldforderung unmöglich, zumindest aber erheblich erschwert werde. Gegen die Arrestanordnung legte die Klägerin Einspruch ein. Daraufhin erließ das Finanzamt im November 2013 gegen die Klägerin für die Streitjahre u.a. Bescheide über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag. Im März 2014 setzte es die Vollziehung der genannten Bescheide aus.

Das FG gewährte die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Körperschaftsteuerbescheides 2009 in Höhe des verbliebenen Nachzahlungsbetrages und lehnte die AdV des Körperschaftsteuerbescheides 2007 über das vom Finanzamt gewährte Maß hinaus ab. Nachdem das Finanzamt im Oktober 2014 erklärt hatte, das Arrestverfahren wegen Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag der Streitjahre habe sich durch den Erlass der Änderungsbescheide von November 2013 erledigt, erhob die Klägerin vor dem FG Klage auf Feststellung, dass die Arrestanordnung des Finanzamt rechtswidrig gewesen sei.

Das FG gab der Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Das FG hat verkannt, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Arrestanordnung auch im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage die Verhältnisse im Zeitpunkt des Erlasses der Arrestanordnung maßgebend sind, zu denen auch diejenigen Umstände zu rechnen sind, die rückwirkend betrachtet aus der Sicht der letzten mündlichen Verhandlung im Zeitpunkt des Erlasses der Arrestanordnung tatsächlich vorgelegen haben.

Nach § 100 Abs. 1 S. 4 FGO kann, wenn ein mit der Klage angefochtener Verwaltungsakt sich im Verlauf des Klageverfahrens erledigt hat, das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts feststellen. Diese Regelung ist entsprechend anzuwenden, wenn ein Verwaltungsakt sich schon vor der Klageerhebung erledigt. Vorliegend wurde das Arrestverfahren in das Vollstreckungsverfahren übergeleitet und die Arrestanordnung vor Klageerhebung gegenstandslos. „Berechtigtes Interesse“ an der Feststellung der Rechtswidrigkeit i.S.d. § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ist jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende Interesse rechtlicher, tatsächlicher oder wirtschaftlicher Art. Die begehrte Feststellung muss geeignet sein, in einem dieser Bereiche zu einer Positionsverbesserung des Steuerpflichtigen zu führen.

Ein berechtigtes Feststellungsinteresse kann insbesondere dann anzuerkennen sein, wenn die Feststellung des FG dazu dienen soll, die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen vor den Zivilgerichten zu erleichtern. Voraussetzung ist, dass die Schadensersatzklage anhängig oder mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass die finanzgerichtliche Entscheidung für das zivilgerichtliche Urteil nicht unerheblich und die Rechtsverfolgung vor dem Zivilgericht nicht offensichtlich aussichtslos ist. Im Streitfall hatte die Klägerin ein solches Feststellungsinteresse im finanzgerichtlichen Verfahren dargetan, wonach sie die Erstattung der – aufgrund der aus ihrer Sicht rechtswidrigen Arrestanordnung entstandenen – anwaltlichen Kosten i.H.v. 3.323,55 € begehrte.

Ordnet die Finanzbehörde zur Sicherung der Vollstreckung von Geldforderungen gem. § 324 Abs. 1 AO den Arrest in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen an, so müssen der Arrestanspruch (die zu sichernde Geldforderung) und der Arrestgrund zwar nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen, aber doch mit einem hinreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit vorliegen. Anders als bei der Frage der Aufhebung eines dinglichen Arrestes nach § 325 AO, bei der zu prüfen ist, ob sich die Umstände nach Ergehen der Arrestanordnung so geändert haben, dass das Aufrechterhalten des Arrestes nicht mehr gerechtfertigt erscheint, ist bei der Anfechtungs- oder Fortsetzungsfeststellungsklage wegen einer Arrestanordnung auf den Zeitpunkt ihres Erlasses abzustellen.

Arrestgrund ist die Besorgnis der Erschwerung oder Vereitelung der Vollstreckung. Als Tatsachen, die den Arrestgrund auf den Zeitpunkt des Ergehens der Arrestanordnung belegen, genügen auch solche Tatsachen, welche erst nach Erlass der Arrestanordnung entstanden sind, aber den zwingenden Schluss rechtfertigen, dass eine konkrete Gefahr der Vollstreckungserschwerung oder -vereitelung bereits im Zeitpunkt des Ergehens der Arrestanordnung gegeben war. Danach kann aus nachträglich entstandenen äußeren Tatsachen etwa geschlossen werden, dass im maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens der Arrestanordnung – für diese bedeutsame – innere Tatsachen vorlagen.

Das FG hat es hier dahinstehen lassen, ob ein Arrestanspruch mit einem hinreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit vorliegt. Es hat auch zu dem vom Finanzamt in der mündlichen Verhandlung geltend gemachten Arrestgrund, insbesondere zu erfolgten Vermögensumschichtungen, weder tatsächliche Feststellungen getroffen noch das Vorbringen des Finanzamt inhaltlich gewürdigt. Die Sache war daher zur Nachholung dieser erforderlichen Feststellungen an das FG zurückzuverweisen.

Quelle: BFH online