Führt Rabattgewährung durch ersten Verkäufer an einen im EU-Ausland ansässigen letzten Abnehmer zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage?

FG Münster v. 28.3.2019 – 5 K 2481/16 U

Nach Auffassung des Senats ergibt die rechtliche Auslegung, dass die Anwendung der „Elida Gibbs“-Grundsätze im Rahmen des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG auf inländische Leistungsketten begrenzt ist. Da jedoch die Frage, ob bei Herstellerrabatten in Lieferketten an einen nicht unmittelbar nachfolgenden Abnehmer (begünstigter Abnehmer) auch dann die Bemessungsgrundlage für den Umsatz des Herstellers an seinen unmittelbar nachfolgenden Abnehmer zu mindern ist, wenn die Lieferung an den begünstigten Abnehmer eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung darstellt, in der Literatur streitig ist, wurde die Revision zugelassen.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft. Sie produziert und liefert Beschlagtechnik für Fenster und Türen sowie Motorik und Sensorik zur Automatisierung von Lüftungs- und Gebäudetechnik. Mit dem Finanzamt stritt sie darüber, ob die Gewährung eines Rabattes (hier: im Streitjahr 2011) an einen in der Leistungskette nicht unmittelbar nachfolgenden Abnehmer auch dann zur Minderung der Bemessungsgrundlage des Umsatzes an den direkten Abnehmer (= mittlerer Unternehmer) führt, wenn zwar die Lieferung an den direkten Abnehmer, nicht aber die Lieferung des mittleren Unternehmers an den begünstigten Abnehmer (Rabattempfänger) im Inland steuerpflichtig ist.

Das Finanzamt hatte den Vorsteuerabzug versagt. § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG knüpfe nach dem Wortlaut und der Gesetzessystematik nicht nur an die in § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG geregelten Fälle an, sondern auch an die in § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG enthaltene Bedingung, dass sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geändert hat. Die Vorschrift gleiche mit der Vorsteuerkorrektur beim wirtschaftlich begünstigten Unternehmer den nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG geminderten Steuerbetrag aus. Dies entspreche der Gesetzesbegründung zu § 17 Abs. 1 Satz 4, UStG wonach sichergestellt werden sollte, dass für Unternehmer, die auf den Produktions- und Vertriebsstufen vor der Endverbrauchsstufe tätig sind, die Umsatzsteuer neutral ist.

Die Klägerin war hingegen der Ansicht, dass der Anwendungsbereich des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG eröffnet sei, da eine Änderung der Bemessungsgrundlage auch dann vorliege, wenn der Unternehmer das Entgelt an einen mittelbaren Empfänger seiner Leistung im Rahmen einer Leistungskette zurückzahle. § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG sei nach dem Wortlaut nicht auf inländische Leistungsketten beschränkt, sondern auch anwendbar, wenn einzelne Umsätze der Leistungskette im Ausland steuerbar seien. Das FG wies die Klage ab. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen.

Die Gründe:
Das Finanzamt hat gegenüber der Klägerin zu Recht eine Herabsetzung der Bemessungsgrundlage in Höhe der an die Verarbeiter gewährten Rabatte abgelehnt.

In der Rechtssache „Elida Gibbs“ hat der EuGH entschieden, dass sich auch bei Vergütungen eines Herstellers an den letzten Abnehmer in einer inländischen Lieferkette die Bemessungsgrundlage des Herstellers mindert, obwohl sich im Verhältnis zu seinem Abnehmer das Entgelt nicht ändert (EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – C-317/94). Nach Auffassung des Senats ergibt die rechtliche Auslegung, dass die Anwendung der „Elida Gibbs“-Grundsätze im Rahmen des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG auf inländische Leistungsketten begrenzt ist. Denn nur in diesem Fall führt die Anwendung der Grundsätze dazu, dass die Umsatzsteuer in einer unternehmerischen Kette insgesamt Null ist, also ein steuerneutrales Ergebnis erreicht wird. Zwar ist der Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG nicht explizit auf inländische Leistungsketten beschränkt. Allerdings lässt er offen, ob die Änderung der Bemessungsgrundlage bei einem vorangehenden Leistenden (Hersteller) dann ausscheiden soll, wenn die Leistung an den wirtschaftlich Begünstigten (gutschriftsempfangender Endkunde) steuerfrei erfolgt. Der Wortlaut der Norm steht der Auslegung durch den Senat mithin nicht entgegen.

Im Wege der richtlinienkonformen Auslegung unter Berücksichtigung des Neutralitätsgebotes ist die Vorschrift für Lieferketten auf reine Inlandssachverhalte zu beschränken und eine Änderung der Bemessungsgrundlage beim Hersteller dann zu versagen, wenn die Leistung an den von der Rabattgewährung wirtschaftlich Begünstigten aufgrund einer an ihn ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG steuerfrei erfolgt. Lässt der Gesetzestext mehrere Auslegungen zu und ist nur eine mit dem Unionsrecht vereinbar, so ist – wie bei der verfassungskonformen Auslegung im Hinblick auf das GG – der Auslegung der Vorzug zu geben, nach der die Norm nicht als unionsrechtswidrig einzustufen ist.

Eine Erweiterung der vom EuGH in der Rechtssache „Elida Gibbs“ aufgestellten Grundsätze auf Lieferketten, die mit einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung an den durch einen gewährten Rabatt wirtschaftlich Begünstigen enden, würde im Land des Herstellers zum Entstehen von Vorsteuerüberhängen in Höhe der im Preisnachlass enthaltenen Mehrwertsteuer führen. Und dies stellt ebenfalls einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot dar. Für eine Begrenzung der Anwendung der „Elida Gibbs“-Grundsätze auf inländische Lieferketten im Rahmen des § 17 UStG sprechen darüber hinaus die historische und teleologische Auslegung sowie die Systematik der Vorschrift.

Da jedoch die Frage, ob bei Herstellerrabatten in Lieferketten an einen nicht unmittelbar nachfolgenden Abnehmer (begünstigter Abnehmer) auch dann die Bemessungsgrundlage für den Umsatz des Herstellers an seinen unmittelbar nachfolgenden Abnehmer zu mindern ist, wenn die Lieferung an den begünstigten Abnehmer eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung darstellt, in der Literatur streitig ist und gerichtliche Entscheidungen hierzu – soweit ersichtlich – noch nicht ergangen sind, wurde die Revision zum BFH zugelassen.

Quelle: FG Münster online