Für vom Insolvenzverwalter nicht erfüllte Masseverbindlichkeiten kann der Schuldner nachhaften

BFH v. 2.4.2019 – IX R 21/17

Der Insolvenzschuldner erzielt die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wenn der Insolvenzverwalter die vom Schuldner als Vermieter begründeten Mietverträge erfüllt. Wird die Einkommensteuer erstmals nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens festgesetzt, ist der Steuerbescheid dem vormaligen Insolvenzschuldner als Inhaltsadressat bekannt zu geben; eine Bekanntgabe an den vormaligen Insolvenzverwalter kommt nicht mehr in Betracht.

Der Sachverhalt:
Der Kläger war Eigentümer eines bebauten Grundstücks, das er vermietete. Im Dezember 2003 wurde das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet. Die Insolvenzverwalterin setzte die Vermietung zunächst fort. Daraus ergaben sich für 2004 Einkünfte von 45.748 €, für 2005 von 32.698 € und für 2006 von 38.942 €. Anschließend wurde die Immobilie zu Gunsten der Masse veräußert.

Die Insolvenzverwalterin gab keine Steuererklärungen für den Kläger ab und leistete auch keine Zahlungen auf die aus der Vermietung entstandene Einkommensteuer. Das AG erteilte dem Kläger im November 2010 die Restschuldbefreiung. Das Insolvenzverfahren wurde im April 2011 aufgehoben. Nach einer Außenprüfung beim Kläger (Bericht aus März 2012) erließ das Finanzamt noch im selben Jahr erstmals Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2004 bis 2006, in denen es u.a. die Einkünfte aus Vermietung ansetzte. Die Bescheide gab es dem Kläger bekannt.

Das FG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Der Kläger rügte daraufhin eine Verletzung materiellen Rechts (§ 251 Abs. 2 Satz 1 AO, § 34 Abs. 1 und Abs. 3 AO, § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Seine Revision vor dem BFH blieb allerdings ohne Erfolg.

Gründe:
Das FG hat zutreffend erkannt, dass das Finanzamt nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens Steueransprüche, bei denen es sich insolvenzrechtlich um vom Insolvenzverwalter nicht bezahlte Masseschulden handelte, gegen den Steuerpflichtigen persönlich festsetzen durfte (und musste).

Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). Danach kann der Schuldner aus Rechtsgründen die vermietende Tätigkeit nicht mehr durch eigenes Tun ausüben, soweit das vermietete Grundstück dem Insolvenzbeschlag unterfällt (§ 35 Abs. 1 InsO). Der Insolvenzverwalter muss jedoch Mietverträge, die der Schuldner als Vermieter geschlossen hat, fortführen (§ 108 InsO); insofern steht ihm kein Erfüllungswahlrecht zu (§ 103 InsO). Die daraus erzielten Einkünfte werden dem Schuldner und nicht dem Insolvenzverwalter persönlich zugerechnet. Der Insolvenzverwalter handelt steuerlich nicht auf eigene Rechnung, sondern als Vermögensverwalter. Als solcher hat er lediglich die in § 34 Abs. 1 AO aufgeführten steuerlichen Pflichten des Steuerpflichtigen zu erfüllen, soweit seine Verwaltung reicht. Die Steuerschuld ist davon nicht erfasst.

Die Steuerschuld war im Streitfall auch nicht durch die Restschuldbefreiung entfallen. Die Restschuldbefreiung wirkt nur gegen alle Insolvenzgläubiger (§ 301 Abs. 1 InsO). Im Streitfall hatten die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens i.S.v. § 38 InsO begründeten Steuerforderungen, soweit sie aus der von der Insolvenzverwalterin fortgeführten Vermietungstätigkeit des Steuerpflichtigen herrühren, insolvenzrechtlich gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu Masseverbindlichkeiten geführt. Daraus folgte u.a., dass die dem Steuerpflichtigen erteilte Restschuldbefreiung sich nicht auf diese Forderungen erstreckte. Eine teleologische Erstreckung des § 301 InsO auf Masseverbindlichkeiten kommt in solchen Fällen nicht in Betracht.

Die Steuerschuld war auch nicht durch Zahlung (§§ 47, 224, 224a, 225 AO) erloschen. Denn Masseverbindlichkeiten müssen zwar vor Verteilung der Masse vom Insolvenzverwalter berichtigt werden (§ 53 InsO). Das war im Streitfall jedoch nicht geschehen. Die Insolvenzverwalterin hatte auf die Steuerforderung nämlich nichts bezahlt und auch keine Rücklagen gebildet, sondern die Masse verteilt und das Insolvenzverfahren ohne Beachtung der Steuerforderung beendet. Das Finanzamt musste die Steuerforderung deshalb ungeachtet der Aufhebung des Insolvenzverfahrens festsetzen und erheben (§ 85 Satz 1 AO).

Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens kann das Finanzamt den Steuerbescheid nicht mehr dem Insolvenzverwalter bekannt geben. Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens endet das Amt des Insolvenzverwalters, und die Verfügungsbefugnis über die (verbleibende) Masse fällt an den Schuldner zurück (§ 259 Abs. 1 InsO). Es gibt keine vermögensrechtlich verselbständigte Masse mehr (§ 35 InsO). Wegen vom Insolvenzverwalter nicht erfüllter Masseverbindlichkeiten findet eine Nachtragsverteilung (§ 203 InsO) nicht statt. Wegen aller noch offenen Masseverbindlichkeiten kann ab diesem Zeitpunkt nur noch der Schuldner in Anspruch genommen werden.

Quelle: BFH online